Die Rotenburger Kreiszeitung hat am 13. Januar 2022 zahlreiche Stimmen zum Thema Impfpflicht zusammengetragen. Wir dokumentieren das vollständige Interview der Kreiszeitung mit unserem Co-Vorsitzenden Nils Bassen:
Wird innerhalb der Partei auch auf lokaler Ebene darüber debattiert und wie steht sie zum Thema Impfpflicht?
Viele Genossinnen und Genossen diskutieren täglich darüber und das Stimmungsbild ist klar: Wir müssen auf jeden Fall beim Impfen schneller vorankommen. Es ist sehr gut, dass wir jetzt endlich in einigen Berufsgruppen eine Impfplicht bekommen werden. Eine allgemeine Impfflicht scheitert meiner Meinung nach nicht am politischen und gesellschaftlichen Willen.
Wenn Sie sich dafür aussprechen, aus welchen Gründen und für wen halten Sie diese für geeignet? Bedenkt man auch, dass wir beispielsweise mit den Rotenburger Werken und dem Diakonieklinikum zwei sehr große Arbeitgeber im Altkreis haben, für die das eventuell Folgen hat. Wenn Sie dagegen sind, warum nicht?
Natürlich würde eine allgemeine Impflicht weitreichende Folgen auch für die genannten beiden großen Arbeitgeber haben, da ein Teil des Personals dann ggf. nicht mehr zur Verfügung stünde. Wenn wir aber ehrlich sind, ist das gesundheitliche Risiko durch ungeimpftes Personal im Gesundheitssektor deutlich größer und weitreichender. Daher geht für mich der Schutz der Patient*innen und des weiteren Personals vor.
Kommt die Entscheidung zu schnell, fehlt Zeit für sorgfältige Abwägung, oder ist sie längst überfällig?
Ich kann nachvollziehen, dass sich Politiker*innen schwertun, sich für eine Impfplicht auszusprechen. Es gibt leider derzeit in Teilen der Gesellschaft eine düstere Stimmung. Diese hat es auch vor Corona schon gegeben, wurde jetzt jedoch durch die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Sorgen im Zuge der Pandemie oftmals verstärkt. Es geht um das grundsätzliche Vertrauen in den Staat, die Medienlandschaft und Politik. Für mich kann ich sagen, dass verantwortliche Politiker*innen mit aller Vernunft handeln und meinerseits das Vertrauen stark bleibt.
Hat die Politik angesichts der schnell ausbreitenden Omikron-Variante zu spät reagiert? Auch die zu geringe Besetzung der Gesundheitsämter ist in diesem Zusammenhang eine Frage, die man sich stellen sollte, denn sie schaffen das abverlangte Pensum kaum noch. Wie könnte schnelle Hilfe umgesetzt werden?
Schnelle Hilfe suchen wir doch bei vielen Dingen seit Jahren in allen Bereichen. Dafür braucht es einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel und die Klärung der Frage: Was halten wir für systemrelevant und lebensnotwendig? Hier muss es ein Umdenken geben, und ich bin sicher, dass wir nun auf dem Weg zu einer besseren Ausstattung sind. Aber neben den von Ihnen genannten Mitarbeiter*innen der Gesundheitsämter und im Gesundheitsbereich dürfen wir auch die zahlreichen ehrenamtlich Tätigen nicht vergessen. Auch hier müssen wir neue Anreize schaffen, sich engagieren zu wollen. Die Kraft lässt irgendwann bei allen Beteiligten nach und dazu kommt ein immenser Druck auf den Straßen, der für mich fast unerträglich ist.
Bei der Impfpflicht-Frage soll ohne Fraktionszwang abgestimmt werden, halten Sie diese Entscheidung angesichts des sensiblen Themas für sinnvoll?
Hier muss dringend eine konsequente Haltung her, weil wir strategisch-politische Fragen vor verantwortliches Handeln stellen würden. Natürlich war im Vorfeld der Wahl von vielen Seiten benannt, dass es keine Impfplicht geben wird. Unser Parteivorsitzender hat schon vor Weihnachten revidiert und gesagt, dass das Ausschließen einer Impfpflicht ein Fehler gewesen sei. Dem möchte ich mich vollends anschließen und bin sicher, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind.
Warum hat Ihrer Ansicht nach dem Konzept der Freiwilligkeit beim Impfen nicht ausreichend funktioniert? Gab es Fehler in der Kommunikation?
Freiwilligkeit ist sehr wichtig und auch der richtige Weg. Es wurde aber seitens der Politik unterschätzt, mit welcher Skrupellosigkeit und aggressiven Sprache Stimmung gemacht werden würde. Ganz besonders die Politiker*innen von AfD und weiter rechts sind fleißig dabei, Ängste zu schüren und haben die Stimmung, die vor Corona geherrscht hat, genutzt, um einige gesellschaftliche Gruppen hinter sich zu sammeln. Wer hätte vor der Pandemie gedacht, dass „normale“ Bürger*innen zusammen mit Rechtsextremen und Impfskeptikern, die ja alle drei verschiedenen Ziele verfolgen, auftreten würden. Gegen so viel Aggressivität, wie sie von rechts über verschiedenen Kanälen indoktriniert wird, ist Zusammenhalt gefragt.
Das Interview führte Ann-Christin Beims, Redakteurin Rotenburger Kreiszeitung & Rotenburger Rundschau